Liliths Lied
Ode an Heinrich Heines "Helena"


Er
(kniet nackt in einem Kreis, der durch regelmäßig aufgestellte Kerzen erleuchtet ist)

"Schwarze Göttin des Infernos,
erhöre mein Flehen und mein Bitten.
Erfüllt bin ich von Obsessionen,
welche in tiefster Dunkelheit,
und aus schwärzesten Träumen entstanden sind."


Lilith
(sie erscheint in einem gleißenden hellroten Licht, ihre kalten Augen starren auf die jämmerliche Kreatur, die sich winselnd im Staub zu ihren Füßen windet. Zur Begrüßung küsst er Lilith die Füße)

"Beschworen hast Du mich,
gerufen aus den Flammen der Gehenna.
Von dort, wo Leid und Pein,
unendliche Trauer sind.

Deine blasphemischen Gedanken waren mir das Licht,
welches die dunklen Pfade erleuchtete, auf denen ich wandelte.
Sie waren mir ein Geleit,
zwischen der Welten der Toten und der Lebenden."



Er
(beugt demütig sein Haupt, als Lilith ihn einem Raubtier gleich lauernd umrundet)

"Ihre Liebe ist es, die ich zu erlangen trachte.
Ich will sie empfangen, selbst wenn dies meinen Tod bedeutet,
denn Ihre Zärtlichkeit ist es,
für die ich all die verlorenen Jahre lebte."


Lilith
(sie ergreift das Kinn des Flehenden, reißt den Kopf in die Höhe und zwingt ihn, direkt in ihre Augen zu blicken.)

"Deine schwarzen Träume wecken in mir die Glut des Verlangens,
sie brennt in mir wie eine schmerzvolle Sehnsucht.
Doch stillen kannst Du sie nicht.
Zu schwach sind Deine melancholischen Visionen.

Mit meiner Zaubermacht,
entflamme ich in Dir die düstersten Begierden.
Und so wie diese wachsen,
wächst auch Deine Abhängigkeit.

Mein Geist umschlingt einer Schlange gleich Deinen Körper,
verbrennt Deine Wünsche,
Deine Träume werden zwischen meinen Händen zerfließen,
sie werden zu den gottlosesten Sünden.


Er
(seine Gesichtszüge beginnen zu zucken, er versucht seinen Blick abzuwenden, doch sie zwingt ihn in seiner Haltung zu verweilen)

"Todesschmerz,
eiskalt ergreift der Herr alles Sterblichen nach mir.
Doch spüre ich, dass er nur meinen Körper gewinnt,
denn meine Seele gehört der Dunkelsten aller Prinzessinnen."


Lilith
(nähert sich dem Gesicht des Mannes. Er schließt die Augen und erwartet ihren Kuss)

"Deine Wollust hat Dich dem Tode geweiht.
Um meine Gunst zu erlangen,
muss Deine Seele den Weg alles Sterblichen gehen.
Doch gib Acht, es wartet unendliche Marter.

Nun sieh in meine Augen,
Deine Seele wird sich nach meiner kalten Berührung verzehren.
Du wirst wissen, dass es Wert war,
für meine Liebe zu leiden.


Er
(Schweiß bildet Perlen auf seiner bleichen Haut. Fiebrig zittert der Körper)

"Mein Leben schwindet,
es verglüht in der strafenden Hitze der Gehenna.
Ich gehe dorthin,
wo Leid und Pein, unendliche Trauer sind."


Lilith
(auf ihrem Gesicht bildet sich ein grausames Lächeln)

"Press Deinen Mund auf meinen Mund.
Ich trinke Deine bittersüße Schuld,
welche mein Verlangen lindern kann.
Komm, erhalte den Kuss des Todes.

Deine Seele wird brennen,
verzehrt von den unheiligen Flammen der Gehenna.
Die Sünden der Schöpfung sind köstlich,
die Dämonen unersättlich."


(Lilith küsst den Mann, erst vorsichtig und fein, dann herausfordernd. In seiner Begierde wird er ein Spielball ihrer Lust. Er schreit die Schmerz heraus, als ihn die Flammen von innen verzehren. Sein Körper verglüht. Zurück bleibt ein jämmerliches Häufchen Asche.)

Lilith
(speit auf die Asche und schaut drohend gen Himmel, dann verblasst ihre Erscheinung)

"Asche zu Asche,
vom Leben zum Tode.
Dir gehört der erbarmungswürdige Leib,
doch mir gehört die Seele."


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