Sadismus/Masochismus
Auch wenn unsere heutige Gesellschaft Sex anscheinend schon so offen und tolerant gegenübertritt, so gibt es doch bestimmte Bereiche, die auf allgemeine Ablehnung stoßen. SM ist einer davon. Die allgemeine Auffassung von SM sieht überspitzt ausgedrückt ungefähr so aus: Da gibt es den „bösen“ Dominanten – den Täter – und den „armen“ Devoten – das Opfer. Aus irgendeinem Grund (der aber wohl auf eine krankhafte Prägung in der Kindheit zurückzuführen ist) hat jenes willenlose Wesen seinem Partner die vollkommene Macht über ihn übergeben. Dieser reagiert darauf – wie könnte es anders sein, schließlich ist er auch nur ein Mensch – mit einem Machtrausch, der ihn dazu treibt sein Opfer zu schlagen und zu quälen. Und der devote Teil, der sich hoffnungslos in die Hände dieses Wahnsinnigen gegeben hat, reagiert darauf mit Resignation und erduldet die Qualen. Und das kranke daran ist: das bereitet ihnen auch noch Lust! Tja, eine klare Ausprägung einer sexuellen Perversion eben, eine Geisteskrankheit: Sadismus und Masochismus. Nun gut, das ist eine Ansicht, die auch nicht gerade verwunderlich und in gewissem Sinne sogar lobenswert ist, veranschaulicht sie doch, dass wir tatsächlich in einer Zeit leben, in der Mann und Frau größtenteils als gleichberechtigte Partner miteinander leben. Dass aber nun gerade die Selbstverständlichkeit dieser Gleichberechtigung, die Gewissheit um die Liebe, zu einer solchen Sexualität führen, mag verwirren. Und doch ist es der Fall.
Wenn ich hier von SM schreibe, dann schreibe ich über eine selbstkreierte Sexualität, und nicht von dem was allgemein in der SM-Szene üblich ist. Aber ich werde bei SM bleiben. Es gefällt mir, dieses Wort. Lassen sich doch die Buchstaben nicht nur als SadoMasochismus sondern auch als SexualMagie übersetzen. Und nicht alle aber viele unserer Sessions lassen sich in der Tat als einen sexualmagischen Akt bezeichnen. Der Aufbau hatte den eines Rituals, beide Partner waren mit voller Aufmerksamkeit und Konzentration bei der Sache und das Ganze hatte ein klares Ziel: Ekstase - Vereinigung! Ich würde es folgendermaßen beschreiben: wir benutzten die Grundstrukturen des Sadomasochismus und transformierten sie zur Sexualmagie. So aber betrachten wir erstmals die Begriffe „dominant“ und „devot“ genauer: In einem SM-Szenario gibt es folgende Rollenaufteilung: den dominanten Part, der auch als aktiv bezeichnet wird und den devoten Teil (passiv). Nicht alle Sadomasochisten nehmen immer die gleichen Rollen (Primärrolle) ein, es gibt auch das sogenannte „Switchen“, d.h. dass von Session zu Session (abhängig von Partner, Ort, Zeit oder was auch immer) die Rolle gewechselt wird. Bei uns war das nicht der Fall. Wir hatten beide unsere Primärrollen, er dominant, ich devot. Der Devote übergibt nun also dem Dominanten für einen vorher vereinbarten Zeitraum die vollkommene Macht über ihn. Er ist damit einverstanden mit Beginn der Session (manche bezeichnen es auch als Spiel – aber das signalisiert so ein Unernsthaftigkeit) alle normalerweise vorherrschenden Rechte zu verlieren. Er legt sein Schicksal also voll und ganz in die Hände seines Partners und erklärt sich bereit alles zu tun oder zu lassen was jener von ihm verlangt und sich an alle von ihm aufgestellten Regeln zu halten.
Was treibt einen Menschen dazu so etwas zu tun? Die Neugier vielleicht, der Reiz des Neuen / Unbekannten / Unerwartetem? Die Herausforderung etwas zu tun, wozu man normalerweise nicht fähig ist? Die Abenteuerlust, der Nervenkitzel der unberechenbaren Gefahr? Was auch immer es ist, man kann es ohnehin nur selbst erfahren. Auf jeden Fall ist eine Fähigkeit unerlässlich um diesen Schritt zu wagen: Absolute Hingabefähigkeit! Ich kann nicht oft genug betonen, dass es beim SM niemals um Durchhalten / Erdulden / Ertragen geht, sondern nur um eines: um Lust (bzw. in weiterer Folge um Ekstase). Die Kunst liegt nicht darin den Schmerz zu ertragen, sondern darin ihn in Lust umzuwandeln! Ein zweiter Punkt, der für eine solche Session, bzw. in diesem Fall für die Bereitschaft zur Unterwerfung, unerlässlich ist, ist das vollkommene und uneingeschränkte Vertrauen in den Partner! Ohne jenes ist es meiner Meinung nach unmöglich sich in einer solchen Form seinem Partner zu öffnen und hinzugeben. Die größte Aufgabe für den Dominanten liegt also darin, trotz uneingeschränkter Macht über ein anderes menschliches Wesen, nicht in einen Machtrausch zu verfallen. Sondern im Gegenteil nicht für eine Sekunde seine Disziplin und Selbstkontrolle zu verlieren. Ein Sm-Szenario lässt sich am besten als Seiltanz, als ein ständiges an-der-Grenze-Entlangtänzeln beschreiben, zu wenig und es wird uninteressant, zu viel und das ganze bricht ab. Es bedarf demnach der vollen Aufmerksamkeit – und zwar von beiden Seiten! So wie der Devote sich bemüht immer neue Grenzen zu überwinden, muss der Dominante darauf achten, diese Grenzen hoch genug aber eben nicht zu hoch anzusetzen.
Die Texte wurden freundlicherweise von Fra. Io-Soth-Al und Sr. Laiiwa zur Verfügung gestellt.
Alle Rechte für die Bilder liegen beim Marquis de Corvus Zum Marquis
Mein Dank an Euch alle!